Die situative Führung gehört zu den derzeit gängigsten Führungsmodellen. An dieser Stelle möchte ich Ihnen einen groben Überblick über diesen Ansatz geben. Für mich ist die Situative Führung ein sehr gelungener, jedoch in seiner Komplexität hoch anspruchsvoller Ansatz. Ich hoffe, Ihnen hier einen guten ersten Eindruck vermitteln zu können.
Situative Führung
Der situative Führungsansatz umfasst vier Bereiche, die miteinander gekoppelt werden sollen. Diese Bereiche sind die zu erzielenden „Ergebnisse“, die „Mitarbeiterbedürfnisse“, die „Reife der Mitarbeiter“ und die „Schwierigkeit der Aufgabe“, die es zu lösen gilt. Erst durch den Einbezug dieser Bereiche kann sichergestellt werden, dass alle relevanten Einflussgrößen berücksichtigt werden. Indem Interventionen gezielter gesetzt werden können, wird dies eine erfolgreiche Führung wahrscheinlicher machen. Dies bedeutet, dass Führungskräfte auf unterschiedliche Führungsstile zurückgreifen können, um ihr Verhalten an die jeweils spezifische Ausgangssituation anzupassen und so die Erfolgsaussichten maximieren.
Um dieses zu erreichen
Eine wesentliche Aufgabe von Führung besteht darin, den Reifegrad ihrer Mitarbeiter kontinuierlich zu erhöhen. Grundvoraussetzung für diese Erhöhung ist es, den derzeitigen Reifegrad jedes einzelnen Mitarbeiters möglichst präzise einschätzen zu können. Hierfür bietet der situative Führungsansatz zwei Beobachtungskategorien an. Zum einen ist es die Sozialkompetenz der Mitarbeiter, welche zum Beispiel Zuverlässigkeit, Engagement, Teamorientierung oder Lernfähigkeit umfassen. Zum anderen handelt es sich um die Fachkompetenz der Mitarbeiter. Hierunter fallen beispielsweise Ausbildung, Erfahrung, methodische Kompetenzen oder auch Selbstorganisationskompetenz. Hier wird bereits erkennbar, dass die Führungskraft ein gewisses Maß an Menschenkenntnis und psychologischen Grundwissens mitbringen oder erwerben muss, um ihre Interventionen an den spezifischen Gegebenheiten der Geführten anzupassen. Daher ist ein hoher Anteil der Führungskräftequalifizierung zur Einübung der Einschätzung des Reifegerades von Mitarbeitern, in Form von diagnostischen Fähigkeiten, unabdingbar.
Ausgehend von der Einschätzung gibt es vier Handlungsfelder, in denen die Führungskraft ihre Interventionen zielgerichtet anpassen sollte.
Telling
Der neue Mitarbeiter ist das klassische Anwendungsbeispiel für diesen Führungsstil. Diese Person wird aller Wahrscheinlichkeit nach noch über wenig Fachwissen verfügen. Damit konzentriert sich die Führungskraft auf die aufgabenorientierte Dimension ihres Führungsspektrums. Dabei ist ihr Ziel, den Reifegrad des Mitarbeiters möglichst schnell zu entwickeln. Aus diesem Grund bewegt sich die Führungskraft in einem eher direktiven Führungsstil. Klare Vorgaben und Strukturen bieten dem Mitarbeiter eine Orientierung, indem sie unter anderem Erwartungen an die Arbeit des Mitarbeiters verdeutlichen. In diesem Bereich ist die Führungskraft stark engagiert und der Führungsaufwand entsprechend hoch.
Selling
Sobald die Aufgaben- und Fachkenntnis sichergestellt sind und der Mitarbeiter zur Wertschöpfung des Unternehmens beitragen kann, stellt sich die Frage nach der Motivation. Der Führungsstil Selling richtete sich vorrangig an Mitarbeiter, dessen Motivation eher als gering einzustufen ist. Hier ist die Führungskraft aufgefordert den Beziehungsaspekt stärker zu betonen, das Wohlbefinden des Mitarbeiters im Auge zu behalten und ihn stärker einzubinden. Durch Kommunikationsangebote kann dem Mitarbeiter sein Beitrag zur Wertschöpfung dargelegt werden, um damit die „Sinn-Dimension“ der Arbeit in den Fokus des Mitarbeiters zu legen. Durch das Darlegen des Einzelbeitrages zum Gelingen des Ganzen kann die Eigenmotivation gesteigert werden.
Participating
Auch wenn die Motivation des Mitarbeiters hoch ist, kann beispielsweise durch Krankheit die Arbeitsreife nicht mehr ausreichen. Hier kommt ein Führungssiel, der in Richtung Coaching geht, zum Tragen. Der Einblick in das laufende Geschehen und das Lernen an konkreten Herausforderungen unterstützt den Mitarbeiter sich selber zu organisieren und die nötige Fachkompetenz zu erarbeiten. Hierfür ist es wichtig, dass der Mitarbeiter möglichst selbstständig arbeiten kann und zielführendes Feedback erhält.
Delegating
Wenn der Mitarbeiter seine Aufgaben selbstständig und kompetent erledigt, beschränkt sich dieser Führungsstil hauptsächlich auf klare Zielvereinbarungen. Hierbei ist es im Verhältnis Führungskraft und Geführter jedoch wichtig, die vereinbarten Ziele sorgfältig abzunehmen. Das Ergebniscontroling wird zur wertschätzenden Anerkennung für die geleistete Arbeit und unterstützt so die Eigenmotivation des Mitarbeiters. Zwischengespräche sind ein wichtiger Faktor um den guten Kontakt zum Mitarbeiter zu erhalten. Ansonsten agiert er weitgehend selbstbestimmt und greift auf die Führungskraft zurück, wenn er alleine nicht weiterkommt.
Stärken des situativen Führungsansatz
Da der Mitarbeiter in einer verantwortungsbewussten und engagierten Grundhaltung unterstützt wird, führt der situative Führungsansatz im Idealfall dazu, dass er selbstständig arbeitet und möglicherweise selbst Führungsverantwortung übernimmt. Somit ist dieser Ansatz ein Teil der Personalentwicklung welche wiederum ein integraler Bestandteil von Führung ist. Im situativen Führungsansatz ist eine präzise Führungsarbeit, die von einer extrinsischen zu einer intrinsischen Motivation führt, möglich. Ein wertschätzender Umgang, auch mit Fehlern, fördert das (gemeinsame) Lernen und verhindert damit die Wiederholung von Fehlern und falschen Entscheidungen.
Schwächen der situativen Führung
Die Vorstellung von der direkten Einflussnahme in Form einer Ursache-Wirkungs-Ausrichtung bleibt erhalten. Da die Führung sehr kompliziert ist, kommt der heroischen Führungskraft, die sich aller Tools für die verschiedenen Situationen bedienen kann, ein hoher Stellenwert zu. Die Umsetzung bedarf einer hohen Diagnosefähigkeit und damit eihergehend einem hohen Engagement. Weiterhin benötigt die Führungskraft für die Umsetzung eine kritische Selbstdistanz und damit eine ausgeprägte Selbstreflexion. Die Definition und Wahrnehmung einer Situation ist immer subjektiv und die Variablen können nur vage bestimmt werden. Hierdurch kann der Eindruck von Beliebigkeit entstehen. Ein Grundvertrauen in die Mitarbeiter, dass diese mit dem Ansatz umgehen können, wird vorausgesetzt. Die Wirkung von „Profit“ und „Macht“ auf den Führungsstil wurde bei allen Studien außer Acht gelassen.